Die Aura, die sie umgibt, ist nicht fassbar. Sie besteht aus einem Hin und Her von Projektionen. Ein aus den Fugen geratenes Gespräch unendlicher Stimmen. Es sind viele, deren Fussabdruck in ihre Tanzschritte passen. Über andere erhaben sind es die anderen, die sich über sie erheben. Mit oder ohne Krone sind sie durch ihre gesamte Erscheinung aufeinander angewiesen. Verwandten gleich, verbindet sie ein unzertrennliches Band. Auch über ihren Tanz hinaus bedingen sie sich gegenseitig.

 

ERSTER SCHWANENSEETÄNZER

Seine Tränen sind wie die lackierten Nägel seines Sohnes. Er weint selten. Kaum wahrnehmbar schüttelt er den Kopf, während sein Lachen darauf hinweist, dass er der Situation nicht gewachsen ist. Sich seinem Lachen anzuschliessen, vertreibt die düsteren Gedanken. Diese Spur übergangener Irritation ist ein Kreis. Er spielt ein anderes Spiel. Ihm gehört die Welt tatsächlich. Er, weit davon entfernt, tuntig zu sein, ist das, was der meint, der sagt: “Sei ein richtiger Mann!” Daran hält er fest, auch wenn der Mann ein Geheimnis geworden ist. Er kennt den Diskurs. Er ist reflektiert, ist einer, der vieles hinterfragt. Er muss einen Schritt voraus sein und achtet nicht auf die Männer im Tutu. Er ist ihr Gegenteil, Geheimnisse ziehen ihn an. Orientierung ist wichtig. Seine Orientierung steht zwischen uns. Er kann sich oft viel leisten. Für ihn ist es keine Frage, Bescheid zu wissen.
Er kennt keine Scham über schlechte Schulleistungen, sie sind für ihn eine Auszeichnung. Er ist einer, der keine grossen Fragen stellt. Keiner, der alles in Frage stellt. Er ist einer, der aus Bequemlichkeit lieber nichts in Frage stellt und auch gerne und gut schweigt. Er ist einer, der besser schweigt. Einer, der sich nicht überall Gehör verschaffen kann. Er ist einer, der auf seinem Standpunkt beharrt. Er hört sie nicht. Seine Eltern ermöglichten ihm eine Berufsausbildung. Das ist in seinen Augen ein Privileg. Er denkt, es gibt nichts, was er nicht versteht. Danach bediente er sich, soweit es ihm die Welt erlaubte. Er weiss, dass er privilegiert ist. Er zeigt auf Privilegierte, bezichtigt sich selbst. Er entschuldigt sich oft, aber nicht bei ihnen, denn sie bedingen sich gegenseitig. Sein beruflicher Erfolg beförderte ihn von der Mietwohnung in das eigene Haus auf dem Land. Der Erfolg legt sich wie ein falsches Kleid um seine Schultern. Er strebt nicht danach, Ungerechtigkeit aus der Welt zu schaffen. Lieber kehrt er sie unter den Teppich. Beharrlich geht er seinen Weg. Der Aufstieg endete da, wo ihn die Welt auf seinen Platz verwies. Er scheiterte als Vorgesetzter. Manche scheitern heroisch. Kleine Männer scheitern kläglich.

Sein Humor ist keine Strategie. Er ist persönlicher Ausdruck, Weltaneignung und Bewältigungstaktik. Diesen Humor versteht er nicht. Es wird gelacht über den Anwalt mit dem unverschämten Honorar, über die wohlhabenden, feinen Kundinnen seiner Frau, über Missgeschicke bei Geschäftsessen. Sein Humor schafft Ausgleich. Er richtet sich nach oben. Auch er tritt nach unten. Weil er nicht kämpferisch ist, gibt er sich stark. Zu vernehmen ist das Lachen derer, die lieben, was sie haben, weil sie nicht haben, was sie lieben. Laut und unmittelbar nimmt es sich den Raum, aber ohne Nachklang. Er will sich kein Gehör verschaffen. Er ist die Instanz. Sein Blick ist ebenso verstellt wie die Bühnen der Schwanenseetänzer. Meine Zuneigung kippt in Ekel und wieder zurück. Seine Freiheit gibt es nur auf Kosten anderer.
Die Beschreibung hat sich bereits verselbständigt. Dieser Prozess wird beschleunigt, sobald Dritte sie lesen. Sein Urteil ist zeitgenössisch. Ihn zu beschreiben, ist eine Gratwanderung, wenn er weder zum Exoten noch zum Proll verkommen soll. Ihn unabhängig von den anderen zu beschreiben, geht nicht. Es scheint mir unmöglich, keine Distanz zu ihm zu nehmen. Ich bin involviert.
Sein Schwanensee-Tanz steht für weitere humoristische Inszenierungen. Hätte ihn niemand gefilmt, so wäre er nur lose Erinnerung. Von der Erinnerung, die sowieso verschwindet, zur Erinnerung, die zufällig irgendwann verloren geht. Das Video provoziert bei den einen das Lachen und bei den anderen diese ambivalenten Gefühle. Er schafft Trends und übt aus analytischer Distanz Verrat. Gefühle, die von oben kommen, von dort, wo Trash in High Trash verwandelt wird, die zu verstehen nur diejenigen vermögen, die diesen Ort des Dazwischen kennen. In mir gibt es zwei verschiedene Welten.
Seine Inszenierung gehört zur Familientradition “An-Festen-etwas-Lustiges-machen”. Seine Familie feiert andere Feste. Sein Vater würde nicht so locker im Tutu über die Bühne hüpfen. Das ist ihm fremd. Er übersieht dieses Talent und vergisst, was er sich vom Dilettantischen verspricht. Die Frage nach dem Verlauf des vierten Aktes stellt sich ihm nicht. Die Rolle der Schwanenprinzessin ist unbestritten. Das Aufführungsende lässt seine Freude an der Situation eindeutig erkennen. Bedächtig fällt er zu Boden und veranschaulicht mit feinen Zuckungen, wie das Leben aus seinem Körper weicht. Danach ist er aber umso schneller wieder auf den Beinen, um sich auf der wahllos verstellten Bühne mit seinem viel zu knappen Kostüm vor dem vor Freude laut schreienden Publikum zu verneigen. Seine Hingabe weckt meine Zuneigung. Ich möchte mich schützend vor ihn stellen. Der Grund dafür erschliesst sich ihm nicht. Das Lachen des Publikums spornt ihn an. Sein wachsender Übermut ist beklemmend.
Er ist kein Einzelfall. Sie finden sich auf YouTube, unzählige Männer, die in gleicher Manier, als Schwanenprinzessinnen verkleidet, mit ihrem Erzeugnis sich selber und ihr Publikum beglücken. Diese Entdeckung fasziniert mich. Ich bin sowohl besorgt als auch erleichtert. Ohne es zu wissen, bilden sie eine Gemeinschaft. Ihre Orte setzen keine Bühne voraus. Getanzt wird auch in Turnhallen, Stuben und in Garagen. Hier werden Räume nicht hergerichtet, sondern freigeräumt. Die Proben für die Tänze sind der Vorfreude auf das Spektakel gewidmet. Geprobt wird nicht, um Zusammenstösse oder Fehltritte zu verhindern, denn diese sind Teil des Unterfangens. Durch Nichtbeachtung entziehen sie sich den klassistischen Machtverhältnissen. Ohne jede Verbindung zueinander basteln sie sich die Dinge zurecht. In Gruppen oder allein entfremden sie eine Produktion der legitimen Kultur zu ihrem eigenen Zweck. Ich möchte die Dinge vereinfachen. Seinen Humor als rein anarchisch verklären. Herkunft feiern und Scham vergessen. Ihn zum Helden machen. Seinen Tanz exotisieren. Homophobie und Misogynie unter den Teppich kehren. Mein Vater ist ein Dilettant. Er ist ein Experte, aber nicht für das Dilettantische. Unterschiede beseelen unsere Welten.

 

 

ZWEITER SCHWANENSEETÄNZER

Seine Tränen sind wie die lackierten Nägel seines Sohnes. Er weint selten. Kaum wahrnehmbar schüttelt er den Kopf, während sein Lachen darauf hinweist, dass er der Situation nicht gewachsen ist. Sich seinem Lachen anzuschliessen, vertreibt die düsteren Gedanken. Diese Spur übergangener Irritation ist ein Kreis. Er spielt ein anderes Spiel. Ihm gehört die Welt tatsächlich. Er, weit davon entfernt, tuntig zu sein, ist das, was der meint, der sagt: “Sei ein richtiger Mann!”. Daran hält er fest, auch wenn der Mann ein Geheimnis geworden ist. Er kennt den Diskurs. Er ist reflektiert, ist einer, der vieles hinterfragt. Er muss einen Schritt voraus sein und achtet nicht auf die Männer im Tutu. Er ist ihr Gegenteil, Geheimnisse ziehen ihn an. Orientierung ist wichtig. Seine Orientierung steht zwischen uns. Er kann sich oft viel leisten. Für ihn ist es keine Frage, Bescheid zu wissen.
Er kennt keine Scham über schlechte Schulleistungen, sie sind für ihn eine Auszeichnung. Er ist einer, der keine grossen Fragen stellt. Keiner, der alles in Frage stellt. Er ist einer, der aus Bequemlichkeit lieber nichts in Frage stellt und auch gerne und gut schweigt. Er ist einer, der besser schweigt. Einer, der sich nicht überall Gehör verschaffen kann. Er ist einer, der auf seinem Standpunkt beharrt. Er hört sie nicht. Seine Eltern ermöglichten ihm eine Berufsausbildung. Das ist in seinen Augen ein Privileg. Er denkt, es gibt nichts, was er nicht versteht. Danach bediente er sich, soweit es ihm die Welt erlaubte. Er weiss, dass er privilegiert ist. Er zeigt auf Privilegierte, bezichtigt sich selbst. Er entschuldigt sich oft, aber nicht bei ihnen, denn sie bedingen sich gegenseitig. Sein beruflicher Erfolg beförderte ihn von der Mietwohnung in das eigene Haus auf dem Land. Der Erfolg legt sich wie ein falsches Kleid um seine Schultern. Er strebt nicht danach, Ungerechtigkeit aus der Welt zu schaffen. Lieber kehrt er sie unter den Teppich. Beharrlich geht er seinen Weg. Der Aufstieg endete da, wo ihn die Welt auf seinen Platz verwies. Er scheiterte als Vorgesetzter. Manche scheitern heroisch. Kleine Männer scheitern kläglich.
Sein Humor ist keine Strategie. Er ist persönlicher Ausdruck, Weltaneignung und Bewältigungstaktik. Diesen Humor versteht er nicht. Es wird gelacht über den Anwalt mit dem unverschämten Honorar, über die wohlhabenden, feinen Kundinnen seiner Frau, über Missgeschicke bei Geschäftsessen. Sein Humor schafft Ausgleich. Er richtet sich nach oben. Auch er tritt nach unten. Weil er nicht kämpferisch ist, gibt er sich stark. Zu vernehmen ist das Lachen derer, die lieben, was sie haben, weil sie nicht haben, was sie lieben. Laut und unmittelbar nimmt es sich den Raum, aber ohne Nachklang. Er will sich kein Gehör verschaffen. Er ist die Instanz. Sein Blick ist ebenso verstellt wie die Bühnen der Schwanenseetänzer. Meine Zuneigung kippt in Ekel und wieder zurück. Seine Freiheit gibt es nur auf Kosten anderer.
Die Beschreibung hat sich bereits verselbständigt. Dieser Prozess wird beschleunigt, sobald Dritte sie lesen. Sein Urteil ist zeitgenössisch. Ihn zu beschreiben, ist eine Gratwanderung, wenn er weder zum Exoten noch zum Proll verkommen soll. Ihn unabhängig von den anderen zu beschreiben, geht nicht. Es scheint mir unmöglich, keine Distanz zu ihm zu nehmen. Ich bin involviert.
Sein Schwanensee-Tanz steht für weitere humoristische Inszenierungen. Hätte ihn niemand gefilmt, so wäre er nur lose Erinnerung. Von der Erinnerung, die sowieso verschwindet, zur Erinnerung, die zufällig irgendwann verloren geht. Das Video provoziert bei den einen das Lachen und bei den anderen diese ambivalenten Gefühle. Er schafft Trends und übt aus analytischer Distanz Verrat. Gefühle, die von oben kommen, von dort, wo Trash in High Trash verwandelt wird, die zu verstehen nur diejenigen vermögen, die diesen Ort des Dazwischen kennen. In mir gibt es zwei verschiedene Welten.
Seine Inszenierung gehört zur Familientradition “An-Festen-etwas-Lustiges-machen”. Seine Familie feiert andere Feste. Sein Vater würde nicht so locker im Tutu über die Bühne hüpfen. Das ist ihm fremd. Er übersieht dieses Talent und vergisst, was er sich vom Dilettantischen verspricht. Die Frage nach dem Verlauf des vierten Aktes stellt sich ihm nicht. Die Rolle der Schwanenprinzessin ist unbestritten. Das Aufführungsende lässt seine Freude an der Situation eindeutig erkennen. Bedächtig fällt er zu Boden und veranschaulicht mit feinen Zuckungen, wie das Leben aus seinem Körper weicht. Danach ist er aber umso schneller wieder auf den Beinen, um sich auf der wahllos verstellten Bühne mit seinem viel zu knappen Kostüm vor dem vor Freude laut schreienden Publikum zu verneigen. Seine Hingabe weckt meine Zuneigung. Ich möchte mich schützend vor ihn stellen. Der Grund dafür erschliesst sich ihm nicht. Das Lachen des Publikums spornt ihn an. Sein wachsender Übermut ist beklemmend.
Er ist kein Einzelfall. Sie finden sich auf YouTube, unzählige Männer, die in gleicher Manier, als Schwanenprinzessinnen verkleidet, mit ihrem Erzeugnis sich selber und ihr Publikum beglücken. Diese Entdeckung fasziniert mich. Ich bin sowohl besorgt als auch erleichtert. Ohne es zu wissen, bilden sie eine Gemeinschaft. Ihre Orte setzen keine Bühne voraus. Getanzt wird auch in Turnhallen, Stuben und in Garagen. Hier werden Räume nicht hergerichtet, sondern freigeräumt. Die Proben für die Tänze sind der Vorfreude auf das Spektakel gewidmet. Geprobt wird nicht, um Zusammenstösse oder Fehltritte zu verhindern, denn diese sind Teil des Unterfangens. Durch Nichtbeachtung entziehen sie sich den klassistischen Machtverhältnissen. Ohne jede Verbindung zueinander basteln sie sich die Dinge zurecht. In Gruppen oder allein entfremden sie eine Produktion der legitimen Kultur zu ihrem eigenen Zweck. Ich möchte die Dinge vereinfachen. Seinen Humor als rein anarchisch verklären. Herkunft feiern und Scham vergessen. Ihn zum Helden machen. Seinen Tanz exotisieren. Homophobie und Misogynie unter den Teppich kehren. Mein Vater ist ein Dilettant. Er ist ein Experte, aber nicht für das Dilettantische. Unterschiede beseelen unsere Welten.

 

 

DRITTER SCHWANENSEETÄNZER

Seine Tränen sind wie die lackierten Nägel seines Sohnes. Er weint selten. Kaum wahrnehmbar schüttelt er den Kopf, während sein Lachen darauf hinweist, dass er der Situation nicht gewachsen ist. Sich seinem Lachen anzuschliessen, vertreibt die düsteren Gedanken. Diese Spur übergangener Irritation ist ein Kreis. Er spielt ein anderes Spiel. Ihm gehört die Welt tatsächlich. Er, weit davon entfernt, tuntig zu sein, ist das, was der meint, der sagt: “Sei ein richtiger Mann!”. Daran hält er fest, auch wenn der Mann ein Geheimnis geworden ist. Er kennt den Diskurs. Er ist reflektiert, ist einer, der vieles hinterfragt. Er muss einen Schritt voraus sein und achtet nicht auf die Männer im Tutu. Er ist ihr Gegenteil, Geheimnisse ziehen ihn an. Orientierung ist wichtig. Seine Orientierung steht zwischen uns. Er kann sich oft viel leisten. Für ihn ist es keine Frage, Bescheid zu wissen.
Er kennt keine Scham über schlechte Schulleistungen, sie sind für ihn eine Auszeichnung. Er ist einer, der keine grossen Fragen stellt. Keiner, der alles in Frage stellt. Er ist einer, der aus Bequemlichkeit lieber nichts in Frage stellt und auch gerne und gut schweigt. Er ist einer, der besser schweigt. Einer, der sich nicht überall Gehör verschaffen kann. Er ist einer, der auf seinem Standpunkt beharrt. Er hört sie nicht. Seine Eltern ermöglichten ihm eine Berufsausbildung. Das ist in seinen Augen ein Privileg. Er denkt, es gibt nichts, was er nicht versteht. Danach bediente er sich, soweit es ihm die Welt erlaubte. Er weiss, dass er privilegiert ist. Er zeigt auf Privilegierte, bezichtigt sich selbst. Er entschuldigt sich oft, aber nicht bei ihnen, denn sie bedingen sich gegenseitig. Sein beruflicher Erfolg beförderte ihn von der Mietwohnung in das eigene Haus auf dem Land. Der Erfolg legt sich wie ein falsches Kleid um seine Schultern. Er strebt nicht danach, Ungerechtigkeit aus der Welt zu schaffen. Lieber kehrt er sie unter den Teppich. Beharrlich geht er seinen Weg. Der Aufstieg endete da, wo ihn die Welt auf seinen Platz verwies. Er scheiterte als Vorgesetzter. Manche scheitern heroisch. Kleine Männer scheitern kläglich.
Sein Humor ist keine Strategie. Er ist persönlicher Ausdruck, Weltaneignung und Bewältigungstaktik. Diesen Humor versteht er nicht. Es wird gelacht über den Anwalt mit dem unverschämten Honorar, über die wohlhabenden, feinen Kundinnen seiner Frau, über Missgeschicke bei Geschäftsessen. Sein Humor schafft Ausgleich. Er richtet sich nach oben. Auch er tritt nach unten. Weil er nicht kämpferisch ist, gibt er sich stark. Zu vernehmen ist das Lachen derer, die lieben, was sie haben, weil sie nicht haben, was sie lieben. Laut und unmittelbar nimmt es sich den Raum, aber ohne Nachklang. Er will sich kein Gehör verschaffen. Er ist die Instanz. Sein Blick ist ebenso verstellt wie die Bühnen der Schwanenseetänzer. Meine Zuneigung kippt in Ekel und wieder zurück. Seine Freiheit gibt es nur auf Kosten anderer.
Die Beschreibung hat sich bereits verselbständigt. Dieser Prozess wird beschleunigt, sobald Dritte sie lesen. Sein Urteil ist zeitgenössisch. Ihn zu beschreiben, ist eine Gratwanderung, wenn er weder zum Exoten noch zum Proll verkommen soll. Ihn unabhängig von den anderen zu beschreiben, geht nicht. Es scheint mir unmöglich, keine Distanz zu ihm zu nehmen. Ich bin involviert.
Sein Schwanensee-Tanz steht für weitere humoristische Inszenierungen. Hätte ihn niemand gefilmt, so wäre er nur lose Erinnerung. Von der Erinnerung, die sowieso verschwindet, zur Erinnerung, die zufällig irgendwann verloren geht. Das Video provoziert bei den einen das Lachen und bei den anderen diese ambivalenten Gefühle. Er schafft Trends und übt aus analytischer Distanz Verrat. Gefühle, die von oben kommen, von dort, wo Trash in High Trash verwandelt wird, die zu verstehen nur diejenigen vermögen, die diesen Ort des Dazwischen kennen. In mir gibt es zwei verschiedene Welten.
Seine Inszenierung gehört zur Familientradition “An-Festen-etwas-Lustiges-machen”. Seine Familie feiert andere Feste. Sein Vater würde nicht so locker im Tutu über die Bühne hüpfen. Das ist ihm fremd. Er übersieht dieses Talent und vergisst, was er sich vom Dilettantischen verspricht. Die Frage nach dem Verlauf des vierten Aktes stellt sich ihm nicht. Die Rolle der Schwanenprinzessin ist unbestritten. Das Aufführungsende lässt seine Freude an der Situation eindeutig erkennen. Bedächtig fällt er zu Boden und veranschaulicht mit feinen Zuckungen, wie das Leben aus seinem Körper weicht. Danach ist er aber umso schneller wieder auf den Beinen, um sich auf der wahllos verstellten Bühne mit seinem viel zu knappen Kostüm vor dem vor Freude laut schreienden Publikum zu verneigen. Seine Hingabe weckt meine Zuneigung. Ich möchte mich schützend vor ihn stellen. Der Grund dafür erschliesst sich ihm nicht. Das Lachen des Publikums spornt ihn an. Sein wachsender Übermut ist beklemmend.
Er ist kein Einzelfall. Sie finden sich auf YouTube, unzählige Männer, die in gleicher Manier, als Schwanenprinzessinnen verkleidet, mit ihrem Erzeugnis sich selber und ihr Publikum beglücken. Diese Entdeckung fasziniert mich. Ich bin sowohl besorgt als auch erleichtert. Ohne es zu wissen, bilden sie eine Gemeinschaft. Ihre Orte setzen keine Bühne voraus. Getanzt wird auch in Turnhallen, Stuben und in Garagen. Hier werden Räume nicht hergerichtet, sondern freigeräumt. Die Proben für die Tänze sind der Vorfreude auf das Spektakel gewidmet. Geprobt wird nicht, um Zusammenstösse oder Fehltritte zu verhindern, denn diese sind Teil des Unterfangens. Durch Nichtbeachtung entziehen sie sich den klassistischen Machtverhältnissen. Ohne jede Verbindung zueinander basteln sie sich die Dinge zurecht. In Gruppen oder allein entfremden sie eine Produktion der legitimen Kultur zu ihrem eigenen Zweck. Ich möchte die Dinge vereinfachen. Seinen Humor als rein anarchisch verklären. Herkunft feiern und Scham vergessen. Ihn zum Helden machen. Seinen Tanz exotisieren. Homophobie und Misogynie unter den Teppich kehren. Mein Vater ist ein Dilettant. Er ist ein Experte, aber nicht für das Dilettantische. Unterschiede beseelen unsere Welten.

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ist Steinbildhauerin, Sozialarbeiterin, studiert im Master Transdisziplinarität an der ZHdK und hat drei Kinder. Sie befasst sich mit der Frage, wie sich Theorie und Professionalität auf ihre berufliche Praxis auswirken. Theorie hilft bei der Analyse, lenkt den Blick und schränkt ihn ein. Sie glaubt, dass Unrecht reproduziert wird, wo Fachwissen über Erfahrungswissen gestellt wird. Theoretische Grenzen lotet sie aus, indem sie sich ins Spiel bringt, recherchiert, anhäuft, sammelt, ordnet und schreibt.